06. Oktober 2023 - Tag 14:
Bryce Canyon
Wieder ging es im Dunkeln los, aber erst mal mit Eis kratzen der Autoscheiben. Es hatte zwei Grad im Minus, als ich heute das Motel verlassen habe und ein Eiskratzer ist wohl im Vermietungsprogramm von Hertz nicht vorgesehen. Also habe ich mir anders beholfen und die Schlüsselkarte des Motels zweckendfremdet. Diesmal war meine Übernachtung sehr nah am Park und so war ich bald darauf frierend an meinem Ziel und habe auf den Sonnenaufgang gewartet. Der war weniger spektakulär als erwartet, aber die Landschaft, dich mich erwartet hat war es. Nirgends auf der Welt gibt es wohl eine größere Fülle an Hoodoos, als hier im Bryce Canyon. Hoodoos sind turmartige Gebilde aus Sedimentgestein, die sich durch Erosion aus den Plateaus abgetragen und so diese Gegend geformt haben. Eigentlich tun sie es immer noch, aber eben sehr langsam. Man kann hier sehr gut die Stufen sehen, welche dieser Prozess durchläuft. Erst bilden sich Lamellen aus den Hochplateaus heraus, dann bilden sich Löcher in den weicheren Bereichen des Gesteins, diese werden zu Einbuchtungen und dann bleiben die Türme nebeneinander stehen, bis auch diese irgendwann erodieren und zusammen fallen und Wellen auf dem Boden bilden. Heute habe ich so viele Bilder gemacht und konnte sie gar nicht alle genau sichten, so dass ich nicht sicher bin, ob man das auf den Bildern sehen wird. Ich war einfach zu beeindruckt von dieser Landschaft und ihre Einzigartigkeit macht sie auf jeden Fall zu einem der interessantesten Orten, an denen ich im Leben gewesen bin. Auf meiner Reise und auch vorher bei der Vorbereitung, bin ich immer wieder Menschen begegnet, die nur den Zion Canyon gemacht haben und nicht den Bryce Canyon. Zion war toll, aber ich würde immer diesen über Zion empfehlen, schon weil er eine Aussicht bietet, die man so nur schwer ein zweites Mal findet.
Auch heute habe ich mir dann zwei Wanderwege gesucht und bin diese gegangen, zwei Mal hat es mich hinab in das Tal und wieder herauf geführt, so dass ich auch heute, glaube ich, wieder fleißig genug war und mir verdient hatte, die restlichen Punkte des Parks, immerhin auf 30 Kilometer länge verteilt, mit dem Auto anzufahren. Mittlerweile haben meine Wanderschuhe und -socken beschlossen, dass wir uns nicht mehr das Zimmer teilen. Auch meine Füße haben sich eine Pause verdient und da ich heute mehr geschafft habe als geplant, bin ich auch gewillt, sie ihnen bald zu gönnen. Jedoch stehen in den nächsten vier Tagen erst mal weitere vier Nationalparks an und da wo ich hin will, scheinen die Hotels rar und die Gäste zahlreich zu sein, dass die Hotels leicht über dem geplanten Budget liegen. Das stört mich nicht, aber einen Tag Pause werde ich da machen, wo es mal wieder etwas günstiger ist.
Habe ich was vergessen zu erzählen? Bestimmt, jeden Tag denke ich, hey, du wolltest gestern noch etwas über dieses oder jenes schreiben, aber abends bin ich doch immer etwas erschöpft und von Eindrücken so überwältigt, dass ich genug auslasse. Wer Fragen hat oder neugierig ist mehr zu erfahren, der darf mir gerne schreiben.
So, ich lege mich jetzt was schlafen, ich will heute Abend noch mal sehr spät in den Park fahren. In diesem Park ist die Luft wohl so klar und die Gegend so dünn besiedelt, dass er berühmt ist für seinen Sternenhimmel. So sehr, dass hier sogar extra Touren angeboten werden. In klaren Nächten kann man hier wohl fast viermal so viele Sterne sehen, wie wir es sonst in unseren lichtverschmutzten Gegenden tun. Ich werde mich zwar keiner Gruppe anschließen, aber zu einem der Aussichtspunkte fahren, dort hoffentlich recht alleine sein und einfach mal den Kopf in den Nacken legen. Mal sehen, ob das klappt.
07. Oktober 2023 - Tag 15:
Capitol Reef
Freitag, der 13. ist doch erst nächste Woche. Wenn ich abergläubisch wäre, hätte ich Angst davor, denn heute nahm das Unglück auf eine neue Weise den Lauf, was mir den Tag ein wenig verdorben hat. Wieder musste ich das Auto heute morgen von Eis befreien und bin im Dunklen los gefahren. Dem Sonnenaufgang entgegen. Wieder veränderte sich die Landschaft und ich habe mich schon darauf gefreut, dass es endlich heller wird und ich tolle Fotos machen kann. Aber kaum wurde es heller, galt meine Aufmerksamkeit einem Riss, der etwa 20 cm von unten hoch, recht mittig, die Windschutzscheibe hoch zog. Zwar kam ich nicht umhin, staunend die Landschaft zu bestaunen, aber mit Erschrecken habe ich bestaunt, wie der Riss langsam, aber stetig, weiter wuchs. Als ich endlich am Tagesziel angekommen war, war der Riss noch etwa 10 cm länger und ist Richtung Beifahrerseite abgebogen. Da ich nun am Ziel war, bin ich erst mal wandern gegangen. Etwa 5 Stunden später, zurück bei meinem Auto, eigentlich noch mit dem Plan einen weiteren Wanderweg zu machen, musste ich feststellen, der Riss hat mit einem Radius von 8 cm die Richtung geändert und wandert nun im unteren Drittel der Scheibe nach links. Daher bin ich ins Hotel zurück gefahren und habe Kontakt mit Hertz USA aufgenommen. Gute Nachrichten zuerst, da ich den Mietwagen über den ADAC und nicht in den USA direkt gemietet habe, ist in meiner Miete die Glasscheibe versichert. Das Problem sollte mich also nichts kosten, meinte die nette Dame am Telefon. Nun aber die schlechte Nachricht. Zwar haben wir uns darauf geeinigt, dass ich erst mal weiter fahre, da der Riss die Sicht noch in keiner Weise beeinflusst, ABER, tagsüber hat es weit über 30°C, die Nächte liegen unter dem Gefrierpunkt. Beste Bedingungen für weitere Rissbildung. Ich habe ein wenig Sorge, wie es weiter geht. Im Moment stehen drei Optionen zur Auswahl. Die Erste. Es passiert nichts mehr weiter und ich komme so zurück. Die Zweite, ich komme zu einem großen Flughafen und kann hoffentlich das Auto tauschen. Da wäre die nächste Chance San Diego und das sind noch anderthalb bis zwei Wochen. Wobei ich im Moment überlege, ein bis zwei Ziele meiner Reise zu streichen und statt dessen schon über Phönix zu fahren und das Auto da zu tauschen. Oder Option drei. Es wird sehr schnell sehr schlimm, dass ich vielleicht sogar zwei bis drei Tage festsitze, und mir ein Auto gebracht werden muss. Eine Hertz Vertretung gibt es eben nur in den Städten mit großen Flughäfen. Sicher gibt es schlimmeres was einem passieren kann, aber gebraucht habe ich das auch nicht. Wünscht mir Glück.
So genug gejammert. Urlaub gemacht habe ich auch heute und auch heute bin ich wieder gewandert. Heute im Capitol Reef Nationalpark. Zuerst war es ein kurzer Weg zum Pioneer Register. Durch die Schlucht hier sind Siedler der Mormonen mit ihren Trecks gekommen, als der Westen besiedelt wurden und hier haben sich viele der Reisenden in den Wänden verewigt, oft mit Namen und Daten. Tatsächlich hat man diese Namen mit Dokumenten der ersten Besiedlung abgeglichen und viele dieser Personen bestätigt Zwar "nur" eine etwa 150 jährige Zeitreise, trotzdem eine spannende. Wobei, wenn man sich genau umgeschaut hat, konnte man auch hier vereinzeln Petroglyphen viel älterer Zeit der Ureinwohner finden.
Danach bin ich noch etwa weitere 14 Kilometer durch den Grand Wash gewandert. und habe dabei einen Aufstieg auf den Cassidy Arch gemacht. Ein großer Naturbogen, auf dessen Plateau man steigen kann. Oben kann man auch bis direkt an die Kante heran treten und hat wohl eine tolle Aussicht ins innere einer Schlucht. Während sich Kletterer dort sogar abgeseilt haben, habe ich das näher treten aber schon vermieden und mich auch nicht getraut, über den Bogen selbst zu laufen, auch wenn er breit genug ist. Aber dafür schäme ich mich nicht, ich habe festgestellt, damit war ich dort oben in guter Gesellschaft und hatte dadurch ein nettes Picknick mit einem jungen Paar und der (Schwieger)Mutter, denen es sehr ähnlich ging.
Ach ja, vor lauter Ärger mit der Windschutzscheibe habe ich ja vergessen, dass ich noch von gestern Abend erzählen kann, (wo das Verhängnis wohl seinen Lauf genommen hat.) Da war ich ja noch mal am Bryce Point, um mir den Sternenhimmel zu betrachten. Er war schon sehr beeindruckend, aber ich war mir einig mit einem älteren Paar, dass sich da auf die Erde gelegt hatte, um in den Himmel zu schauen und über das ich fast gestolpert wäre, wir haben eine dunklere Umgebung erwartet. Zwar habe ich so viele Sterne wie noch nie in meinem Leben und auch klar und deutlich die Milchstraße gesehen, aber am Horizont waren doch auch noch sehr viel Lichter, so dass es sicher noch dunklere Nachthimmel gibt. Aber es gab einen Hinweis auf das, was Menschen in früheren Zeiten nachts gesehen haben müssen, wenn sie die Welt mit kleinen Holzbooten bereist haben, um unbekannte Kontinente zu entdecken oder selbst noch die ersten Siedler hier, als sie durch diese einsamen Lande geritten sind, um Cowboy und Indianer nicht zu spielen sondern zu leben.
Ich habe auch unendlich viele Sternschnuppen gesehen, sollten all die Wünsche wahr werden, freue ich mich auf das was kommt. Allerdings habe ich nicht bedacht, für eine heile Windschutzscheibe einen Wunsch zu äußern.
08. Oktober 2023 - Tag 16:
Capitol Reef - Moab
Natürlich weiß ich, dass meine Art zu reisen nicht jedermanns Sache ist. Aber heute war wieder genau so ein Tag, wie ich ihn mir wünsche und vorstelle. Und sogar die Erholung habe ich schon eingebaut und sitze gerade am Pool und genieße das Leben. Dafür habe ich zwar ein kleines Ziel ausgelassen, aber das werde ich versuchen, übermorgen mit in den Tag einzuarbeiten.
Nun aber der Reihe nach. Heute habe ich mir gegönnt, mal etwas länger zu schlafen. Im Capitol Reef National Park habe ich dann noch einen kurzen Stopp eingelegt, um wandernd richtig wach zu werden. Es war nur ein kurzer Wanderweg, insgesamt etwa fünf Kilometer nur, welche mich zur Hickman Bridge führen. Dieser Natursteinbogen ist 40 Meter breit und wird auf dem Wanderweg durchschritten. Es hat mir viel Spaß gemacht, hier zu wandern, wegen der Landschaft, den netten Menschen denen ich begegnet bin und vor allem, weil ich es hier endlich geschafft habe, Dickhornschafe in der Wildnis anzutreffen. Etwas eitel scheinen diese Tiere, sie ließen sich von all den Touristen nicht stören und schauten gemütlich kauend brav in die Kameras, als wollten sie fotografiert werden.
Nach der Wanderung ging es dann ins Auto und in aller Gemütlichkeit meinem nächsten Ziel entgegen, welches ich nach drei Stunden Fahrzeit erreicht habe. Unterwegs habe ich die Sonne, Musik und vor allem die Aussicht genossen. Die Landschaft hat sich so oft verändert, unglaublich, dass sie auch heute wieder anders war als bisher.
Am frühen Nachmittag habe ich in einer Bar dann American Football bei einem Burger und Cola geschaut, bevor ich ins nächste Hotel gefahren bin, wo ich nun sitze und die Beine hochgelegt habe. Es ist ein sehr neues Hotel, eine tolle Einrichtung, sehr sauber und gemütlich. Das ist auch recht wichtig, denn hier werde ich tatsächlich mal drei Nächte schlafen. In der Umgebung gibt es mehrere Nationalparks, die man von Moab praktisch anfahren kann. Allerdings bin ich eine Woche zu früh hier. Gerade habe ich erfahren, dass hier nächsten Samstag eine totale Sonnenfinsternis statt finden wird. Wenn alles wieder nach Plan verläuft, werde ich dann zwar das vermeintlich größte Highlight meiner Reise erreicht haben, dort werde ich aber nur noch eine 80 prozentige Sonnenfinsternis erleben können. Mal sehen ob ich irgendwo eine Brille dafür auftreiben kann, um auch in den Himmel schauen zu können.